Coronavirus: Sollten wir eine Herdenimmunität nach schwedischem Vorbild anstreben?

Und was können Länder wie die USA oder die Niederlande daraus lernen?

Torsten Cordes
Torsten Cordes

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Deutsche Übersetzung und Lektorat dieses Originalartikels von Tomas Pueyo.

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Schweden hat bekanntlich eine andere Coronavirus-Strategie verfolgt als die meisten anderen Industrieländer: Lasse das Virus frei zirkulieren, bremse es so weit aus, dass es das Gesundheitssystem nicht überfordert (wie etwa in Hubei, Italien oder Spanien), aber versuche nicht, es zu eliminieren. Der Staat hält es für unmöglich, die Virusausbreitung zu stoppen. Die natürliche Folge wäre, dass sich die Mehrheit der Bürger infiziert, und das verlangsame schließlich die Epidemie. Deshalb nennt man diese Strategie — kurz gesagt — “Herdenimmunität”.

Die andere Strategie ist geprägt durch einen Hammer an einschränkenden Maßnahmen und durch einen anschließenden Tanz auf dem explosiven Coronavulkan. Oder auch kurz: “The Hammer and the Dance”: Aggressiver Schutz vor dem Coronavirus durch Abriegelung der Wirtschaft. Sobald das Virus eingedämmt ist, geht es in die Tanzphase, in der man den aggressiven Lockdown durch kostengünstige und intelligente Maßnahmen zur Kontrolle des Virus auf niedrigem Infektionsniveau ersetzt.

Einige Länder und Staaten, wie die Niederlande und Großbritannien oder US-Bundesstaaten wie Texas und Georgia, haben Maßnahmen zwischen den beiden Strategien umgesetzt. Welche Strategie ist also die beste?

Heute werden wir eine Menge Daten und Diagramme verwenden, um diese Fragen zu beantworten:

  1. Was geschieht in Schweden?
  2. Wie schlimm ist das Virus wirklich? Wie viele Menschen sind infiziert? Verletzt? Getötet?
  3. Wer ist davon betroffen? Können wir nur die Schwachen schützen?
  4. Was ist das Beste für die Wirtschaft?

Folgendes wirst du lernen:

  • Schweden leidet enorm unter den Infektionsfällen und Todesfällen. Dennoch sind bisher viel zu wenige Menschen infiziert worden. Das Land ist noch weit von der Herdenimmunität entfernt.
  • Zwischen 0,5und 1,5 Prozent der Infizierten sterben an dem Coronavirus.
  • Wenn sich das Virus unkontrolliert ausbreitet, kann es zwischen 0,4 und 1 Prozent der Gesamtbevölkerung töten.
  • Viele Erkrankte leiden unter Beschwerden, die wir noch nicht verstehen.
  • Leider sind diese Zahlen an Toten und Kranken weit davon entfernt, dass sie uns irgendwo auf der Welt Herdenimmunität eingebracht haben.
  • Nur die am meisten gefährdeten Menschen zu schützen, klingt großartig. Das ist heute aber eine Illusion.
  • Auch wenn die schwedische Wirtschaft weitgehend offen geblieben ist, hat sie doch genauso gelitten wie andere.
  • Von nun an könnte sich die Lage noch weiter verschlechtern.
  • Schweden hat es mittlerweile bereut. Aber das reicht nicht aus. Man kann das Virus ohne einen Lockdown kontrollieren, wenn man seine Fehler anerkennt und die richtigen Maßnahmen ergreift.
  • Andere Länder, wie die USA oder die Niederlande, liebäugeln mit einer Herdenimmunitätsstrategie. Sie wird nur noch mehr wirtschaftliche Verluste und Todesfälle verursachen.

Also gut, fangen wir an.

1. Der schwedische Weg

Wie ist die Situation in Schweden?

Die Menschen in Schweden wurden nicht wie in anderen Ländern in einen Lockdown oder Shutdown gebracht.

Die Schweden konnten sich frei bewegen. Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe I sowie Unternehmen wie Bars, Clubs, Fitnessstudios oder Restaurants sind weiterhin geöffnet.

Was ist das Ergebnis in Schweden?

Am besten versteht man Schweden, wenn man es mit den Ländern vergleicht, die dem Land am ähnlichsten sind. Glücklicherweise haben wir fast perfekte Vergleiche: andere nordische Länder. Sie haben eine ähnliche Kultur, ähnliches Wetter, ähnliches Verhalten, ähnliche Wirtschaft, ähnliche demographische Verhältnisse und erlebten die ersten Coronavirus-Fälle ungefähr zur gleichen Zeit, wie wir in der ersten Märzhälfte sehen können. Andere Länder sind nicht so gut vergleichbar, da sie entweder viel frühere Ausbrüche erlitten haben (z.B. Italien, Spanien, Frankreich…), eine andere Dichte aufweisen (z.B. Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien…) oder eine andere Demografie haben (z.B. große Haushalte mit Kindern und Großeltern im Mittelmeerraum).

Einige Leser könnten sich über diesem Vergleich beschweren. Sie könnten sagen: “Aber Italien hat mehr Todesfälle pro eine Million Einwohner! Und Spanien! Und Belgien!” Grund genug, um uns etwas detaillierter damit zu beschäftigen. Mit welchen anderen Ländern können wir Schweden vergleichen?

Mit wem sollten wir Schweden vergleichen?

Auf der horizontalen Achse sehen wir, wie viele Fälle es ursprünglich in diesem Land gab. Ich habe die Fälle pro eine Million Einwohner ermittelt, obwohl man auch die Gesamtzahl der Fälle auswählen kann, um den ersten Ausbruch zu messen. Der entsprechende Zusammenhang ist mit dem Bestimmtheitsmass von R2~0,5 sogar noch stärker. Ich habe mich für den 22. März entschieden, weil die meisten Industrieländer erst nach dem 15. März Maßnahmen ergriffen haben, und es mindestens zwei Wochen gedauert hat, bis sich die Einschränkungen auf die Zahlen ausgewirkt haben. So kommt die Zahl der Fälle am 22. März dem letzten Zeitpunkt nahe, an dem die Fälle durch Glück und nicht durch Handeln bestimmt wurden. Die vertikale Achse zeigt die Todesfälle pro eine Million Einwohner (Stand Anfang Juni). Dies vermittelt die Wirkung der jeweiligen Länderstrategie seit März. Beide Achsen sind logarithmisch.

Diese Grafik bietet eine Fülle an Erkenntnissen. Die horizontale Achse zeigt die ersten Fälle Mitte März pro eine Million Einwohner, um ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie betroffen das Land von einem frühen Ausbruch war. Die vertikale Achse zeigt die Todesfälle pro eine Million Einwohner. Wir sehen, je größer der erste Ausbruch war, desto mehr Tote gab es.

Das sagt uns zum Beispiel, dass man Schweden nicht mit Spanien oder Italien vergleichen sollte, weil diese Länder das Pech hatten, viel mehr Erstfälle zu haben. Dasselbe gilt für Länder wie Kanada, Litauen oder die Slowakei: Sie hatten anfangs nur wenige Fälle. Was wir hier vergleichen sollten, sind Länder in der gleichen Vertikalen, denn das zeigt Länder, die einen ähnlichen ersten Ausbruch hatten. Ihr Management dieses ersten Ausbruchs bestimmte, wie viele Tote sie schließlich zu beklagen hatten.

In diesem Sinne ist Schweden bei weitem das Schlusslicht seiner Gruppe. Es hat schlechter abgeschnitten als Frankreich, Irland, die Niederlande, Portugal, Dänemark, Norwegen, Österreich, Deutschland, Tschechien, Australien, Estland, Slowenien, Malta, Finnland… Zu dieser Gruppe gehören Dänemark, Finnland und Norwegen, andere nordische Länder, was für unsere Analyse sehr günstig ist.

Die Grafik zeigt auch, warum die Verteidiger der schwedischen Strategie Großbritannien oder Belgien zum Vergleich heranziehen: Sie sind die einzigen Länder mit mehr Todesfällen im Pro-Kopf-Vergleich und einer ähnlichen Anzahl von Erstfällen im Pro-Kopf-Vergleich. Dies ist jedoch kein fairer Vergleich.

Sowohl Belgien als auch Großbritannien hatten im Vergleich zu Schweden massive erste Ausbrüche. Diese sind viel schwieriger zu kontrollieren. Sie sind auch international viel stärker vernetzt, mit viel mehr importierten Infektionen. Sie haben eine viel höhere Bevölkerungsdichte, einen schlechteren Gesundheitszustand der Bevölkerung und mehr Personen pro Haushalt.

Darüber hinaus war Großbritannien führend im Missmanagement mit dem Coronavirus und hatte auch Pech: Es dauerte zu lange, einen Lockdown durchzusetzen, der Lockdown war nicht so stark wie in anderen Ländern, kranke Patienten wurden in Pflegeheime geschickt…

Inzwischen zählt Belgien etwa doppelt so viele Todesfälle wie die meisten anderen Länder: Die Hälfte der Todesfälle des Landes sind in Pflegeheimen entstanden, aber von diesen sind nur 5% überprüft worden. Bei 95% wurde einfach angenommen, dass die Ursache das Coronavirus ist. Das Land litt auch unter einem massiven anfänglichen Höhepunkt, der inzwischen unter Kontrolle ist.

Schweden im Vergleich zu anderen nordischen Ländern

Basierend auf den oben genannten Punkten ist es am besten, Schweden mit anderen nordischen Ländern zu vergleichen, um einen klaren Eindruck von der Herdenimmunitätsstrategie im Vergleich zur “Hammer and Dance”-Strategie zu bekommen: Dänemark, Norwegen und Finnland. Als Kontrast dazu schloss ich auch Österreich und Tschechien mit ein, wie andere osteuropäische Länder mit einer ähnlichen Größe (rund 10 Millionen Einwohner) und einem vergleichbaren ersten Ausbruch.

Am 10. Juni hatte Schweden alleine mehr tägliche Infektionsfälle als alle seine skandinavischen Nachbarn zusammen, und dieser Trend wird immer stärker. Wenn man alle Fälle der 21 EU-Länder aus der vorangegagenen Woche zusammenzählt (überall mit relativ wenigen Fällen), hat Schweden immer noch mehr Infektionsfälle als alle anderen zusammen.

In der obigen Grafik sehen wir, dass Schweden viel besser gestartet ist als seine Nachbarn Dänemark und Norwegen sowie Österreich und ähnlich gestartet ist wie Tschechien und Finnland. Alle diese anderen Länder ergriffen jedoch in der zweiten Märzhälfte starke einschränkende Maßnahmen. Zwei Wochen später, Anfang April, konnten wir sehen, wie ihre Infektionsfälle gemeinsam zurückgingen, während die in Schweden weiter stiegen.

Dies trotz der Tatsache, dass Schweden seine Coronavirus-Fälle noch nicht einmal umfassend zählt:

Dies zeigt den Prozentsatz der Tests, die positiv ausfallen. Je niedriger dieser Prozentsatz ist, desto größer ist die Sicherheit, dass alle Fälle gezählt werden. Schweden testet zehnmal weniger als seine Nachbarn, weil es sich nicht wirklich um die Gesamtzahl der Fälle kümmert, da es gar nicht versucht, die Ausbreitung der Epidemie zu stoppen. Infolgedessen ist eine hohe Dunkelziffer zu erwarten.

Aber selbst unter diesen Vorzeichen ist die Zahl der Infektionsfälle immer nur so gut wie die offiziellen Aufzeichnungen. Eine viel zuverlässigere Datenquelle sind die Todesfälle.

Wie sieht es mit den Todesfällen aus?

Während die Coronavirus-Todesfälle in skandinavischen Ländern und anderen vergleichbaren Ländern nicht mehr zunehmen, steigen sie in Schweden immer noch an. Um zu verstehen, warum das so ist, müssen wir Schwedens Strategie zur Bekämpfung des Coronavirus verstehen.

Die schwedische Strategie

Schweden hatte nie einen Lockdown. Stattdessen schloss das Land seine Oberstufenschulen und Hochschulen, verbot am 27. März Versammlungen mit mehr als 50 Personen und ermutigte seine Bürger, zu Hause zu bleiben und unnötige Reisen zu vermeiden. Am 30. März wurde Besuchern der Zutritt zu Pflegeheimen verboten. Aber darüber hinaus forderte die Regierung die Menschen nur auf, so viel wie möglich von zu Hause aus zu arbeiten und soziale Distanzierung zu praktizieren. Und jüngere Kinder sind verpflichtet, zur Schule zu gehen. Warum?

Quelle

So fassen die staatlichen Epidemiologen Schwedens ihre Strategie zusammen:

“Es ist unmöglich, das Coronavirus zu stoppen. Nur Herdenimmunität wird dies ermöglichen. Lockdowns werden es nicht stoppen. Lassen Sie uns also nur die Kurve abflachen, um einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu vermeiden, aber das war’s dann auch schon. Wenn wir die Wirtschaft lahm legen, wird das kostspielig sein und das Unvermeidliche nur hinausschieben. In der Zwischenzeit sollten wir ältere Menschen schützen, denn sie sind diejenigen, die sterben. Das Virus ist sowieso nicht so schlimm”.

Manche nennen dies eine Mitigationsstrategie, weil sie nur die Fälle reduziert, so dass sie das Gesundheitssystem nicht überfordern, aber nicht darüber hinausgeht, um die meisten Fälle umfassend zu eliminieren und so die Ausbreitung zu stoppen. Andere bezeichnen diese Strategie als Herdenimmunität, wegen der Nebenwirkung: Man glaubt, dass die Epidemie erst dann aufhören wird, wenn genügend Menschen infiziert sind und eine Immunität dagegen entwickeln. Für das Coronavirus wird angenommen, dass dieser Zeitpunkt gekommen ist, wenn etwa 65 Prozent der Menschen infiziert sind.

Schwedischen Regierungsstellen gefällt das Etikett der Herdenimmunität nicht, aber es ist nützlich, da es einprägsam ist. Jeder nennt es so, und der Name verbirgt das böse Endergebnis nicht. Also benutze ich es.

Es gibt viele Statements in der oben genannten Strategiebeschreibung. Einige sind wahr. Zum Beispiel reichten die von der Regierung erklärten Maßnahmen (Verbot großer Versammlungen, Aufforderung an die Menschen, von zu Hause aus zu arbeiten, teilweise Schließung von Schulen und Universitäten) aus, um die Kurve abzuflachen. Die Regierung erhöhte auch die Kapazität des Gesundheitssystems, was dazu beitrug, dass es trotz der hohen Zahl positiver Coronavirus-Fälle funktionsfähig blieb.

Hier sind die Behauptungen, die eine nähere Betrachtung verdienen:

  1. Das Coronavirus ist nicht aufzuhalten.
  2. Das Virus ist nicht so schlimm.
  3. Wir können die älteren Menschen davor schützen.
  4. Es ist besser für die Wirtschaft, die Kurve einfach nur abzuflachen (während sich das Virus in der Bevölkerung ausbreitet) als die “Hammer and Dance”-Strategie umzusetzen — also eine starke Abriegelung gefolgt von einer Wiedereröffnung der Wirtschaft.

Schauen wir uns jede einzelne Behauptung an.

2. Ist das Coronavirus unaufhaltsam?

Funktioniert der Maßnahmenhammer?

Anders Tegnell, Schwedens leitender Epidemiologe, hatte erklärt, es gebe nicht genügend wissenschaftliche Beweise dafür, dass Lockdowns funktionieren — eine Aussage, die auch von anderen Epidemiologen der schwedischen Regierung aufgegriffen wurde.

“Herunterfahren, Lockdown, Schließung der Grenzen — nichts hat meiner Ansicht nach eine historisch-wissenschaftliche Grundlage. Wir haben eine Reihe von Ländern der Europäischen Union daraufhin untersucht, ob sie vor Beginn der Maßnahmen eine Analyse der Auswirkungen dieser Maßnahmen veröffentlicht haben, und wir haben fast keine gesehen.”Anders Tegnell, Schwedens leitender Epidemiologe.

Wenn ich ein schwedischer Politiker wäre und das gehört hätte, hätte ich mir sofort Sorgen gemacht. Erstens sind die Beweise für diese gesuchte Analyse, soweit ich sie finden konnte, wohl einfach nicht weitergegeben worden. Noch wichtiger ist, dass dies zeigt, dass diese Wissenschaftler nicht verstehen, wie es ist, in der realen Welt zurechtzukommen.

Haben diese Wissenschaftler auf eine von Fachkollegen begutachtete wissenschaftliche Studie gewartet, die zweifelsfrei beweist, dass Lockdowns funktionieren? Dies ist kein Labor. Das gibt es nicht. Es war unmöglich, eine saubere Analyse mit einem völlig neuen Virus durchzuführen.

Entscheidungen sollten nicht an ihrem Ergebnis gemessen werden, sondern daran, ob sie auf der Grundlage der damaligen Erkenntnisse die richtigen waren.

Die Welt ist chaotisch. Die Daten sind unvollkommen. Sollen Politiker warten, bis alle Beweise perfekt sind? Nein. Das ist zu spät. Sie müssen alle Daten, die sie haben, zusammenfügen und Maßnahmen ergreifen, auch wenn sie nicht perfekt sind. Denn perfekt ist zu spät und fordert Menschenleben.

Die Perfektion ist der Feind des Guten.

Und dennoch… Es gab Erkenntnisse, basierend auf allem, was in Wuhan, Südkorea, Taiwan, Italien passiert war…

Seitdem haben viele Länder auf der Grundlage dieser Erkenntnisse gehandelt, und ihre Erfolge häufen sich. Worauf deuteten also die verfügbaren Erkenntnisse hin?

Details zum Maßnahmenhammers der jeweiligen Staaten: Wie 45 Länder das Coronavirus besiegt haben. Oder auch nicht.

Dutzende von Staaten haben das Virus inzwischen zurückgedrängt. Von dieser Auswahl ergriffen 40 einen stark einschränkenden Maßnahmenhammer, um die Ausbreitung zu stoppen. Die übrigen fünf Länder (Kuba, Japan, Taiwan, Island und Südkorea) sind alle Inseln (Südkorea ist de facto eine Insel, da seine einzige Bodengrenze zu Nordkorea verläuft und abgeriegelt ist). Alle fünf hatten fortschrittliche Methoden, um mit dem Virus umzugehen. Taiwan und Südkorea haben ebenso wie Kuba alle richtigen Präventivmaßnahmen ergriffen. In Japan gab es ein flächendeckendes Maskentragen und sie haben ein starkes Gesundheitsnetz mit Erfahrung in der Kontaktverfolgung. Island ging direkt zum Tanz auf dem explosiven Coronavulkan über, testete einen großen Teil der Bevölkerung (etwa 17%) und isolierte alle positiven Fälle.

Diese 45 Länder zeigen, dass der stark einschränkende Maßnahmenhammer erfolgreich angewendet werden kann, insbesondere in entwickelten Ländern, aber auch in vielen Entwicklungsländern.

“Dies ist keine Krankheit, die gestoppt oder ausgerottet werden kann, zumindest nicht, bis ein wirksamer Impfstoff hergestellt ist”. — Anders Tegnell, Schwedens leitender Epidemiologe.

Welche weiteren Erkenntnisse können wir nutzen, um zu beurteilen, ob die Hammer-Strategie funktionieren kann?

Schauen wir uns die Reduzierung der täglichen Fälle an. In Ländern, die stark einschränkende Maßnahmen ergriffen, stoppt das Fallwachstum etwa zwei Wochen später.

Für die obige Grafik haben wir Länder ausgewählt, die einen schweren Maßnahmenhammer eingesetzt haben, so dass dessen Wirkung jeden anderen Einflussfaktor übertrifft. Besonders interessant sind die Fälle Spaniens und New Yorks:

New York lag bei den Infektionsfällen knapp hinter Spanien zurück. Aber es dauerte sieben Tage länger (22. März) als in Spanien (15. März), bis die Regierung von New York den Hammer schwang. Infolgedessen überflügelte die New Yorker Infektionskurve die spanische, und Spanien verzeichnete schließlich am 20. Mai 235.000 Fälle gegenüber 360.000 in New York. Dies trotz der Tatsache, dass die Bürger an beiden Orten bereits begonnen hatten, ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken:

Wir können die Anzahl der Anfragen nach Wegbeschreibungen auf Apple Maps sehen und sie mit der Basis vom 13. Januar vergleichen. Normalerweise gibt es während der Wochenenden Spitzenwerte: Unter der Woche pendeln die Menschen in der Regel auf bekannten Wegen, so dass sie weniger nach dem Weg fragen müssen. Wir können auch feststellen, dass die Menschen einige Tage vor der Anordnung des Lockdowns begannen, ihre Anfragen nach Wegbeschreibungen zu reduzieren. Tatsächlich sieht es so aus, als ob die Lockdowns eher der öffentlichen Meinung folgen als dass die Lockdowns der öffentlichen Meinung vorangehen. Diese Mobilität ist allerdings keine echte Mobilität. Die Grafik zeigt nur Anfragen an Apple Maps für Wegbeschreibungen, die wahrscheinlich eher für neue Bewegungen als für gewöhnliche Bewegungen (wie Pendeln) gedacht sind.

Dieses Diagramm verrät uns zwei Dinge:

  1. Bürger und Unternehmen verfolgen die Nachrichten und ergreifen einige Maßnahmen unabhängig von Regierungsaufforderungen. Diese Handlungen können die Übertragungsrate des Virus beeinflussen.
  2. Spanien und New York verringerten ihre Mobilität etwa zur gleichen Zeit, auch wenn sich das nur teilweise in der Kurve widerspiegelt. Die Anordung von stark einschränkenden Maßnahmen der Regierungen kam später. Daraufhin folgte die Reduzierung der Fälle zwei Wochen später — wie ein Uhrwerk.

Die USA sind ein nahezu perfekter Ort, um die Auswirkungen von Lockdowns zu untersuchen, denn es gab keine übergeordnete Entscheidung, den Staat auf Bundesebene abzuriegeln: Sowohl Bundesstaaten als auch Landkreise mussten diese Entscheidung treffen. Damit bleiben Tausende von Regionen übrig, in denen man die Auswirkungen von Lockdowns oder keinen Lockdowns vergleichen kann. Was können wir daraus lernen?

Die Grafik ist aus ihrem ursprünglichen Dokument übernommen worden. Ich habe es nur kommentiert.

Die orangefarbene Linie zeigt, wie sich die Fälle in den Gebieten entwickelten, die einen Lockdown anordneten, im Vergleich zu denen, die keinen Lockdown anordneten. Am Tag Null sind sie auf gleicher Höhe. Davor ist alles etwas aus dem Ruder gelaufen. Aber nach der Abriegelung haben die Gebiete mit Lockdowns stets weniger Fälle im Vergleich zu den Gebieten, die nicht abgeriegelt wurden. Bis zur 1. Woche ist die Zahl der Fälle um 30 Prozent zurückgegangen. Nach zwei Wochen sind es 40 Prozent. Nach drei Wochen sind es 49 Prozent.

Jetzt haben wir also gesehen, dass viele verschiedene Gebiete den stark einschränkenden Maßnahmenhammer erfolgreich angewendet haben. Ich gehe davon aus, dass die schwedischen Epidemiologen dem zustimmen. Vielleicht geht es ihnen aber auch nicht um diese Hammerstrategie, sondern um den Tanz auf dem explosiven Coronavulkan? Schweden könnte denken, dass es unmöglich ist, das Virus einzudämmen, während die Wirtschaft sich wieder öffnet. Und wenn man nicht erfolgreich tanzen kann, sind stark einschränkende Maßnahmen sowieso nur teuer und wertlos. Also… Kannst du erfolgreich tanzen?

Funktioniert der Tanz auf dem Vulkan?

Viele Länder brauchen keine stark einschränkenden Maßnahmen mehr, und viele wagen den Tanz mit dem Virus. Aber nur wenige hatten Zeit, zu beweisen, dass sie auch über einen langen Zeitraum tanzen können. Es gibt jedoch Beispiele. Neben China sind es vier weitere erfolgreiche Länder: Südkorea, Hongkong, Taiwan und Vietnam. Sie haben drei bis fünf Monate lang getanzt. Südkorea hatte einen kleineren Ausbruch, den es ohne Maßnahmenhammer unter Kontrolle bringen konnte. Es ist schlecht zu behaupten, dass es keine (!) Beweise dafür gibt, dass Lockdowns funktionieren, obwohl man sie tatsächlich erfolgreich anwenden kann — und mehrere Länder sind seit Monaten in der Lage, gut zu tanzen.

Mehrere Länder tanzen seit Monaten erfolgreich auf dem explosiven Coronavulkan.

Viele andere tanzen zumindest seit vielen Wochen erfolgreich, wie z.B. Neuseeland, Australien, Island oder Österreich.

Der stille Überträger

Sowohl der Maßnahmenhammer als auch der Tanz mit dem Virus können funktionieren.

Einige Leute haben jedoch behauptet, dass der Höhepunkt und der Rückgang der Coronavirus-Fälle nicht auf starke Maßnahmen zurückzuführen sind. Sie sagen, sie hätten keine Wirkung. Stattdessen argumentieren sie, dass es in allen Ländern früher oder später zu Ausbrüchen kommt und dass die Epidemie wie ein Uhrwerk nach ein paar Wochen abklingt — unabhängig davon, ob es einen Lockdown gibt oder nicht. Wenn man in der Wissenschaft eine Theorie beweisen will, macht man Vorhersagen auf der Grundlage seiner Theorie und prüft, ob sie sich als wahr erweist. Hier sind einige Vorhersagen aus dieser Theorie:

  1. Da alle Länder eine ähnliche Fallkurve haben, die — unabhängig von starken Einschränkungen — aufwärts und abwärts verläuft, sollte es nach der oben genannten Argumentation in allen Ländern zu einem Ausbruch kommen. Länder ohne einen schweren Ausbruch wären demnach unmöglich.
  2. Da alle Länder eine ähnliche Fallkurve haben, die — unabhängig von starken Einschränkungen — aufwärts und abwärts verläuft, sollte im Umkehrschluss außerdem die Infektionszahl der Fälle in allen Ländern zurückgehen.
  3. Länder mit ähnlichen Ausgangsbedingungen sollten ähnliche Ausbrüche erleben, unabhängig davon, ob sie stark einschränkende Maßnahmen ergriffen haben oder nicht.
  4. Umgekehrt müssten in Ländern mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen unterschiedliche Ausbrüche auftreten, unabhängig davon, ob sie starke Einschränkungen ergriffen haben oder nicht.

Die erste Vorhersage ist falsch. Nicht alle Länder haben einen Ausbruch gehabt. Für diese Argumentation können Taiwan, Hongkong oder Vietnam also nicht in Frage kommen: Sie erlitten keinen Ausbruch. Die Länder, die vorbereitet waren — also diejenigen, die sofort zu tanzen wussten — hatten keine Ausbrüche.

Nicht nur das, sondern dies war bereits im März bekannt, da nur eine chinesische Region wirklich einen Ausbruch erlitt:

Wenn Lockdowns keine Rolle spielen, wie kommt es dann, dass alle chinesischen Provinzen, die vorzeitig geschlossen haben (alarmiert durch die Situation in Hubei) einen Ausbruch vermeiden konnten? Wie kommt es, dass die einzige Region, die einen Ausbruch hatte, diejenige war, die nicht rechtzeitig abriegelte?

Die zweite Vorhersage — “Alle Länder, in denen es Ausbrüche gegeben hat, sollten inzwischen wieder normale Zustände in Bezug auf die Infektionen haben” — ist auch falsch. Wir haben gesehen, dass das in Schweden nicht passiert ist. Wir können leicht weitere Länder auf allen Kontinenten finden:

Wir haben bereits viele Länder gesehen, die den Maßnahmenhammer erfolgreich ergriffen haben. Innerhalb von zwei bis drei Wochen fangen sie an, die Kurve abzuflachen, und mit ein paar weiteren Wochen kommen sie nahe an 0 heran. Aber wir können auch Dutzende von Ländern auf allen Kontinenten finden, in denen dies nicht der Fall ist: Die Zahl der täglichen Coronavirus-Infektionen bleibt wochenlang auf einem hohen und stabilen Niveau (wie in Schweden oder den USA), nimmt weiter zu (wie in Moldawien, Algerien, Argentinien oder Russland) oder geht zurück, bevor sie wieder ansteigt (wie in Aserbaidschan, Jordanien, Iran oder Malta). Wäre die Kurve unabhängig von den Maßnahmen, würde man alle Länder nach unten gehen sehen. Das geschieht aber nicht.

Die dritte Vorhersage — “Länder mit ähnlichen Ausgangsbedingungen sollten ähnliche Fallkurven haben, unabhängig vom Maßnahmenhammer, den sie angewendet haben” — ist ebenfalls falsch. Wir haben gesehen, dass Norwegen, Dänemark, Österreich, Finnland und Tschechien auf einem ähnlichen Niveau wie Schweden gestartet sind und dennoch unterschiedliche Entwicklungen durchlaufen haben. Wir haben auch gesehen, wie New York und Spanien in den Anfangsfällen sehr nahe beieinander lagen, so dass ihre Kurven zur gleichen Zeit hätten abfallen müssen. Aber das ist nicht das Ergebnis, was wir beobachten konnten. Die Fallkurve von New York dauerte länger und verlief auf höherem Niveau. Dasselbe gilt für die US-amerikanischen Bundesstaaten.

Die vierte Vorhersage — “Länder mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen sollten unterschiedliche Fallkurven haben, unabhängig vom Maßnahmenhammer, den sie ergriffen haben” — ist auch falsch. Es müsste eine gewisse Variabilität zwischen den Ländern bei der Krümmung der Kurve geben, aber die täglichen Fälle gehen fast immer zwei Wochen nach der Einführung starker einschränkender Maßnahmen zurück, wie wir bei den Beispielen China, Frankreich, Italien, Spanien oder New York gesehen haben.

Das Coronavirus ist nicht unaufhaltsam. Für zahlreiche Länder gibt es einen eindeutigen Weg, ihn zu stoppen: Die “Hammer and Dance”-Strategie.

Wie war also die offizielle Position Schwedens zu all dem? Am 30. April veröffentlichte das Land die Ergebnisse einer Untersuchung, die ergab, dass bis zum 3. April 2,5 Prozent der Schweden infiziert waren. Ein offizielles schwedisches Modell ging davon aus, dass 26 Prozent der Bevölkerung einen Monat später, am 1. Mai, infiziert sein würden. Prof. Johan Giesecke, ein Berater der Regierung und ehemaliger leitender Epidemiologe des Landes, ging davon aus, dass bei einem Massentest 50 Prozent des Landes infiziert sein würden. Ein wichtiger Vorbild für das Land, Tom Britton, stimmte dem zu. Das wären gute Nachrichten gewesen: Es hätte bewiesen, dass der Ansatz der Herdenimmunität funktioniert.

Was ist tatsächlich passiert? Am 20. Mai veröffentlichte das Land das Update der Untersuchung. Anstatt dass 26 Prozent der Bevölkerung infiziert waren, lag die Rate bei nur … 5,4 Prozent (7,3 Prozent in Stockholm. Der nationale Durchschnitt von 5,4 Prozent fand eine Übereinstimmung zwischen der altersabhängigen Erkrankungshäufigkeit und der schwedischen Altersstruktur).

Diese Zahlen spiegeln wahrscheinlich die Immunität um den 20. April herum wider, da es einige Zeit dauert, bis sich Antikörper entwickeln. Etwa die Hälfte der 5,4 Prozent sind jedoch wahrscheinlich fehlerhaft positiv. Es ist möglich, dass bis zum 20. April nur 2,3 Prozent wirklich positiv waren. Unabhängig davon können wir dennoch sehr großzügig sein und annehmen, dass die Erkrankungshäufigkeit bis Ende April bei etwa 7 Prozent lag.

Schwedische Epidemiologen waren der Meinung, dass sie durch die Opfer des Landes bereits die Hälfte der Herdenimmunität erreicht hätten. Das Ergebnis dieser Studie belegte, dass sie erst 10 Prozent des Weges zurückgelegt hatten, und die Zahl der Todesopfer müsste noch mit bis zu 10 multipliziert werden, bevor sie die Herdenimmunität erreicht hätten. Oder sogar mehr, da die älteren Menschen weniger infiziert waren als der Rest der Bevölkerung (nur 2,7 Prozent bei Menschen, die älter als 65 Jahre alt waren).

“Das bedeutet entweder, dass die statistischen Berechnungen der Gesundheitsbehörde und auch von mir ganz falsch sind. […] Oder es ist ein größerer Teil infiziert worden, als derjenige, der Antikörper entwickelt hat.” — Tom Britton, Professor für Mathematik an der Universität Stockholm und Berater der schwedischen Regierung, teilte dies über Dagens Nyheter mit.

Bei rund 10 Millionen Schweden bedeuten 7 Prozent, dass etwa 700.000 Menschen irgendwann infiziert waren, wobei für eine Herdenimmunität etwa 9 Mal mehr infiziert werden müssten. Da Todesfälle etwa nach 3 Wochen eintreten, dürfte dies vergleichbar sein mit der Zahl der Todesfälle gegen Ende Mai, also etwa 4.000.

Bei ungefähr 700.000 Infizierten und 4.000 Todesfällen läge der Verstorbenenanteil der tatsächlichen Infektionen (IFR) bei 0,57 Prozent. Die schwedische Regierung ging davon aus, dass er bei 0,1 Prozent liegen würde, also fast sechsmal niedriger.

“Ich denke, [die Sterblichkeitsrate] wird wie in einer schwere Grippesaison sein, also dass sie in der Größenordnung von vielleicht… 0,1 Prozent liegen könnte”. Prof. Johan Giesecke, Berater der schwedischen Regierung und ehemaliger Leiter der Abteilung, die jetzt von Tegnell geleitet wird, via Unherd.

Würde man das Virus durch die gesamte Bevölkerung zirkulieren lassen, so würden sich die Todesfälle demnach in einer Größenordnung von 30.000 bis 40.000 Menschen vervielfachen.

Dies ist übrigens nicht nur in Schweden der Fall. Selbst in Staaten mit massiven Ausbrüchen ist bisher nur ein vergleichsweise geringer Prozentsatz der Gesamtbevölkerung infiziert.

Und nicht nur das. Dies führt uns vielmehr noch zu einer weiteren wichtigen Hypothese: dass Menschen mit Antikörpern gegen das Coronavirus tatsächlich immun sind. Das wissen wir nicht.

Es ist zum Beispiel möglich, dass einige Menschen immun scheinen, die in Wirklichkeit nur Antikörper gegen eine andere Art von Coronavirus haben. Es könnte auch sein, dass sie aufgrund einer geringen Virusbelastung ein paar Antikörper entwickeln, wobei eine größere Belastung ihr System überfordern würde. Wenn Szenarien wie diese zutreffen würden, könnte in einem Land wie Schweden der Prozentsatz der Bevölkerung, der gegenwärtig immun ist, sogar unter 6,7 Prozent liegen, und das Erreichen der Herdenimmunität könnte noch weiter entfernt sein.

3. Ist das Coronavirus ähnlich wie die Grippe?

Im Jahr 2019 starben rund 700 Schweden an der Grippe. Das würde bedeuten, dass das Coronavirus 50 Mal mehr Menschen tötet als die Grippe.

Vergleichen wir das mit der Annahme von Prof. Giesecke:

“Die Zahl der Todesfälle durch das Coronavirus könnte doppelt so hoch sein [als die Todesfälle durch die Grippe], aber sie wird nicht zehnmal so hoch sein”.

Es ist eher unwahrscheinlich, dass das Coronavirus tatsächlich 50-mal schlimmer ist als die Grippe. Aber es ist auch nicht ähnlich wie die Grippe.

Wie schlimm ist es wirklich?

Um das beurteilen zu können, müssen wir den Unterschied zwischen dem Verstorbenenanteil der gemeldeten Fälle (CFR = case fatality rate) und dem geschätzten Verstorbenenanteil der tatsächlichen Infektionen (IFR = infection fatality rate) verstehen.

Verstorbenenanteil der gemeldeten Fälle (CFR)

Die CFR befasst sich nur mit Personen, bei denen nachgewiesen wurde, dass sie das Virus haben und gestorben sind. Wenn 100 Personen positiv getestet werden und zwei von ihnen sterben, beträgt die CFR 2 Prozent.

Wie hoch ist die CFR der Grippe und des Coronavirus? In den USA liegt Verstorbenenanteil der Grippe bei ungefähr 0,13%.

Bislang liegt die CFR für das Coronavirus in den USA bei 6 Prozent. Das ist 46-mal schlechter. In Südkorea, Taiwan und auf dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess — also drei Standorte, die sehr gründlich durchgetestet wurden und wo die Infektionen Zeit hatten, sich in Todesfälle umzuwandeln, da die größten Ausbrüche längst vorbei sind – lag die CFR schließlich bei etwa 2 bis 2,5 Prozent.

Die CFR der Grippe von 0,13 Prozent in den USA ist wahrscheinlich aber sogar noch eine Überschätzung. Die wahre CFR ist wahrscheinlich niedriger, weil die meisten Menschen, die die Grippe bekommen haben, sich nicht testen lassen. Wenn es inklusive Dunkelziffer 100.000 Grippekranke gäbe, von denen sich nur 10.000 testen lassen würden und 13 von ihnen sterben, sähe es so aus, als läge die Sterblichkeitsrate bei 0,13 Prozent, während sie in Wirklichkeit nur 0,013 Prozent beträgt. Beim Coronavirus werden jedoch viel mehr Menschen getestet als bei der Grippe, weil jeder davon gehört hat und sich behandeln lassen will oder muss. Das führt dazu, dass die CFR des Coronavirus eigentlich niedriger ausfallen müsste als sie es ist.

Wie auch immer man es betrachtet — die CFR des Coronavirus ist tatsächlich um ein Vielfaches höher als die CFR der Grippe.

Geschätzter Verstorbenenanteil der tatsächlichen Infektionen (IFR)

Wie sieht es mit der IFR für das Coronavirus aus — die geschätzte jährliche Sterberate auf Basis der tatsächlichen Infektionszahlen (also inklusive Dunkelziffer)? Wir haben gesehen, dass die aktuelle Zahl für Schweden wahrscheinlich bei etwa 0,57 Prozent liegt. Die beste Zusammenfassung aller IFR-Studien weltweit ist dieses wissenschaftliche Dokument (Vorabdruck), bei dem Hunderte von Analysen angeschaut wurden und bisher eine durchschnittliche IFR von 0,64 Prozent ermittelt wurde.

Quelle. Dies ist die bei weitem umfassendste Meta-Analyse, die bis heute verfügbar ist. Der Autor hat auch andere Meta-Analysen, wie die von Prof. Ioannidis, übernommen und damit seine niedrige Schätzung entkräftet.

Je mehr Daten wir mit der Zeit erhalten, desto näher können wir den Verstorbenenanteil der tatsächlichen Infektionen (IFR) bestimmen. Es sieht so aus, als würde er sich zwischen 0,5 und 1,5 Prozent einpendeln — hoffentlich näher an 0,5 Prozent. Wenn das der Fall ist, wäre es eine fantastische Nachricht, dass er viel niedriger liegt als die befürchteten 2 Prozent CFR (deren Sterberate nicht auf tatsächlichen Fällen, sondern auf gemeldeten Fällen basiert). Dennoch ist dies immer noch erheblich schlimmer als die Grippe.

Dieses Virus ist bösartig.

Jede IFR innerhalb dieser gerade genannten Bandbreite, ist eine bedeutende Nachricht. Wenn 65 Prozent der Bevölkerung an dem Virus erkranken, werden entsprechend zwischen 0,4 und 1 Prozent der Gesamtbevölkerung eines Landes sterben, bevor die Herdenimmunität erreicht ist. Die Länder müssen entscheiden, ob sie damit einverstanden sind — und das auf transparente Weise mit ihren Bürgern debattieren.

In einem Land wie Schweden wären das zwischen 40.000 und 100.000 Todesfälle (am 10. Juni gab es offiziell etwa 4.800). In einem Land wie den USA wären das zwischen einer und drei Millionen Todesfälle.

Diese Zahlen von IFRs und Coronavirus-Todesfällen könnten aus zwei Gründen zu optimistisch sein: Wir berechnen die Zahl der Todesfälle zu niedrig und nehmen eine Immunität an.

Erstens versuchen diese Studien, alle Infizierten zu zählen, aber sie versuchen selten, alle Toten zu zählen. Die Zahl der Todesfälle hat eine erhebliche Dunkelziffer. Selbst in entwickelten Ländern könnte die Gesamtzahl der Todesfälle durch das Coronavirus doppelt so hoch sein, als wir denken.

Zweitens geht man bei all dem von der großen Annahme aus, dass diejenigen Menschen mit Antikörpern immun sind. Das ist vielleicht nicht ganz zutreffend. Sie könnten dem Virus nur partiell ausgesetzt gewesen sein, und ihr Immunsystem ist möglicherweise nicht in der Lage, eine größere Infektion zu bekämpfen.

Bei mehr Todesfällen und weniger Immunität wäre es möglich, dass mehr als 0,4 bis 0,7 Prozent der Bevölkerung an dem Virus sterben, wenn es unvermindert weiterverbreitet wird.

Begleitende Schäden

Ausschnitt eines Herzens aus der Autopsie eines Coronavirus-Patienten. Der Teil des Herzens auf der linken Seite des Bildes ist die rechte Herzkammer. Es ist normal, dass die rechte Herzkammer im Querschnitt halbmondförmig und nicht rund wie die linke Herzkammer ist. Die auffälligste Veränderung ist die Vergrößerung der rechten Herzkammer und die daraus resultierende Abflachung der Wand der linken Herzkammer, die an sie angrenzt. Bildbeschreibung von James Mitchell. Quelle.

Wenn Länder die Entscheidung treffen, ob sie eine Herdenimmunität verfolgen oder ob sie das Virus kontrollieren wollen, sollten sie auch Kollateralschäden, Nebenwirkungen und chronische Zustände, die das Coronavirus verursachen könnte, in Betracht ziehen. Wir wissen jetzt, dass es die Lunge, die Nieren, den Darm, das Immunsystem, das Blut, das Herz, das Gehirn befällt…

Das Virus kann den Körper direkt schädigen, aber auch indirekt durch Zytokinstürme belasten — eine potentiell lebensgefährliche Entgleisung des Immunsystems, bei der es zu einer sich selbst verstärkenden Rückkoppelung zwischen Zytokinen und Immunzellen kommt, hevorgerufen durch Blutgerinnsel, durch Sauerstoffmangel oder durch die Nebenwirkungen der Behandlung.

Diese Nebenwirkungen können Schlaganfälle, Krampfanfälle, Herzinfarkte, Nierenversagen, ARDS (akutes Atemnotsyndrom/Lungenversagen), Hautveränderungen, Kawasaki-Syndrom, Wundbrand, Lungenfibrose oder Thrombose auslösen. Lungenschäden wurden sogar bei Menschen festgestellt, die keine auffälligen Symptome zeigten.

Diese Lungen sind entzündet und weisen schwarze Punkte auf, bei denen es sich um Thrombosen handelt. Quelle.

Wenn du an weiteren Einzelheiten interessiert bist, kannst du dir dieses Video ansehen:

Kurz zusammengefasst:

  • Zwischen 0,5 und 1,5 Prozent der Infizierten sterben am Coronavirus.
  • Viele weitere Menschen werden sehr krank.
  • All das könnte sich als schlimmer erweisen, wenn diejenigen mit Antikörpern nicht immun gegen das Virus sind oder wenn es mutiert.

Dieses Virus ist bösartig. Wenn man es frei zirkulieren lässt, setzt man sich nicht nur einem möglichen Tod aus, sondern auch allen Komplikationen, die durch eine Infektion entstehen können. Wir könnten eine ganze verwundete Generation schaffen.

Dieses Virus befällt jedoch nicht alle Menschen gleichermaßen. Für einige Menschen ist es viel schlimmer als für andere. Vielleicht ist die Herdenimmunitätsstrategie tragfähig, wenn wir die am meisten gefährdeten Menschen schützen können?

3. Können wir die Risikogruppen schützen?

Eine Sache, die dir vielleicht aufgefallen ist, ist der Unterschied der IFRs in den verschiedenen Studien, die ich oben gezeigt habe. Das macht Sinn: Es gibt nicht einen einzigen IFR. Es hängt unter anderem davon ab, wie viele alte Menschen in einem Land leben, wie viele Menschen an Vorerkrankungen wie Fettleibigkeit leiden, ob das Gesundheitssystem zusammengebrochen ist oder wie eng die Menschen zusammenleben (was die Viruslast von Ansteckungen im Haushalt erhöhen könnte).

Dies ist der IFR nach Lebensjahren in Spanien (einer der umfassendsten Antikörpertests der Welt):

Wenn man sich das ansieht, kommt einem eine sehr vernünftige Strategie in den Sinn: Können wir junge Menschen von allen Maßnahmen entlasten, sie sich mit dem Coronavirus anstecken lassen, ältere Menschen während dieses Prozesses isolieren und, — sobald alle jungen Menschen infiziert sind und Herdenimmunität besteht — auch ältere Menschen von allen Maßnahmen entlasten?

Die Älteren schützen

Genau das hat die schwedische Regierung versucht. Sie verbot am 1. April Hausbesuche in Pflegeheimen und forderte Menschen über 70 Jahre auf, zu Hause zu bleiben.

Dennoch kamen 40 Prozent der Todesfälle aus Pflegeheimen.

Dies ist eine der höchsten in der Welt — in einem Land, das besonderen Schutz für sie hatte. Nur Belgien hat einen höheren Anteil an Todesfällen in Pflegeheimen, und das liegt daran, dass es eines der wenigen Länder ist, das auch vermutete Todesfälle durch Coronaviren in Pflegeheimen als offizielle Fälle zählt.

Schwedens führender Epidemiologe sagte, dies sei kein Versagen der Gesamtstrategie, sondern vielmehr ein Versagen beim Schutz älterer Menschen.

Auf die Frage, ob eine “Hammer and Dance”-Strategie besser abgeschnitten hätte, antwortete er mit dieser Antwort:

“Es fällt uns schwer zu verstehen, wie ein Lockdown die Einschleppung der Krankheit in die Altenheime stoppen könnte”. Anders Tegnell.

Dies zeigt einen tödlichen Mangel an Vorstellungskraft. Auf diese Weise hätte ein Lockdown die Einschleppung der Krankheit in die Pflegeheime gestoppt:

Zuerst hätte er sich umsehen müssen. Die Todesfälle in Pflegeheimen in Ostasien waren sehr gering. Vielleicht war das ein Hinweis darauf, dass die Kontrolle des Virus in der breiten Bevölkerung auch die Kontrolle des Virus für ältere Menschen bedeutete.

Das ist völlig intuitiv: Wenn niemand das Virus hat, haben ältere Menschen es auch nicht.

Der zusätzliche Punkt, auf den Schwedens führende Epidemiologen hinweisen, ist, dass sich der Lockdown irgendwann öffnen muss, und dann würde es zu Infektionen in Pflegeheimen kommen. Auch hier gilt: In Ostasien passiert das nicht. Wenn das Virus nicht zirkuliert, infiziert es keine alten Menschen.

Umgekehrt ist es sehr schwer zu verhindern, dass sich Heimbewohner infizieren, wenn es wild verbreitet wird.

Die erste Maßnahme, die Schweden zum Schutz von Pflegeheimen ergriff, war das Besuchsverbot. Diese Art von Maßnahme begrenzt die Ansteckungsgefahr. Im Rahmen einer Herdenimmunitätsstrategie müssten diese Einschränkungen jahrelang aufrecht erhalten werden, bis es eine Behandlung oder einen Impfstoff gibt — statt nur einige Wochen während eines allgemeinen Maßnahmenhammers. Denn selbst wenn viele Menschen ihre Infektion bereits überwunden haben, ist das Virus noch vorhanden. Sobald während dieser ganzen Zeit auch nur eine einzige Person in einem Pflegeheim infiziert wird, breitet sich das Virus wie ein Lauffeuer im Haus aus. Also keine Besuche über Jahre hinweg.

Die älteren Menschen brauchen weiterhin Pflegekräfte, die sich um sie kümmern. Was wird mit diesen Mitarbeitern geschehen? Müssen auch sie unter Quarantäne gestellt werden? Für Jahre? Was ist mit ihren Partnern? Müssen auch sie unter Quarantäne gestellt werden? Müssen sie ihre Jobs aufgeben? Was ist mit ihren Kindern? Sollten auch sie unter Quarantäne gestellt werden? Werden sie keine Schule mehr besuchen? Falls doch, was ist mit anderen Kindern und ihren Eltern? Sollten sie stattdessen unter Quarantäne gestellt werden? All das ist unmöglich, also müssen wir davon ausgehen, dass sich viele Pflegekräfte in Heimen infizieren werden. Wie kann man die älteren Menschen vor ihnen schützen?

Bei einer Herdenimmunitätsstrategie müssten die Mitarbeiter anfangen, persönliche Schutzausrüstungen wie Masken, Gesichtsschutz oder Kittel zu tragen. Jahrelang, bis eine Behandlung oder ein Impfstoff zur Verfügung steht. Ohne eine einzige Infektion durchzulassen.

Man stelle sich das vor, aber mit jahrelang mehrmals täglich zu wechselndem Kittel und Gesichtsschutz. Quelle.

Pflegekräfte in Heimen sind in der Regel keine Spezialisten auf dem Ausbildungsniveau von Ärzten oder Krankenschwestern.

Die Idee, Risikopersonen zu schützen, klang in der Theorie gut, aber in der Praxis hat sie bisher nirgendwo auf der Welt funktioniert. Es gab Ausbrüche in Pflegeheimen auf der ganzen Welt. In den USA waren etwa 60 Prozent der stärksten rund 1.000 Ausbrüche in Pflegeheimen zu verzeichnen.

In Zukunft werden wir sie vielleicht besser schützen können, aber wenn wir uns Zeit lassen, um zu lernen, wird es vielleicht nicht mehr viele Gäste in Pflegeheimen geben, die es zu schützen gilt.

Leider sind nicht nur die Senioren betroffen.

Schutz von Menschen mit Vorerkrankungen

Es ist zu beachten, dass es sich bei den Alterszahlen um IFRs handelt, da sie nach Alter verfügbar sind. Da ich keine IFR-Äquivalente für Vorerkrankungen gefunden habe, habe ich CFRs genommen.

Im Fall einer Herz-Kreislauf-Erkrankung könntest du ein ähnliches Risiko wie im Alter von 90 Jahren haben. Krebs oder Diabetes zu haben, kann ähnlich risikobehaftet sein wie ein Alter von 80 Jahren.

Wie häufig treten diese Risikofaktoren auf? Schweden ist ein gesundes Land. Die Menschen haben weniger Vorerkrankungen, die ihre Lebensqualität verschlechtern. Wenn man Menschen mit Vorerkrankungen, alte Menschen und ihre Schutzengel hinzufügt, kommen wir in Großbritannien auf 40 Prozent der Bevölkerung, die geschützt werden müssten.

In den USA ist es sogar noch gravierender. 45 Prozent der Bevölkerung haben Vorerkrankungen, die ihr Sterberisiko erhöhen. Dabei sind alte Menschen noch nicht einmal mit eingeschlossen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist ernsthaft gefährdet.

Es ist nicht ausreichend, diese Menschen zu schützen. Alle ihre Kontakte müssten extrem vorsichtig sein, um sich nicht mit dem Virus anzustecken und es an ihre gefährdeten Angehörigen weiterzugeben. Infolgedessen müsste wesentlich mehr als die Hälfte der US-Bevölkerung jahrelang extrem vorsichtig sein. Wie können wir mehr als die Hälfte der Bevölkerung vor dem Rest schützen?

Einige Leute sind bereits besonders vorsichtig. Krebspatienten, die sich einer Behandlung unterziehen, sind zum Beispiel immungeschwächt. Sie müssen extrem vorsichtig sein, damit sie sich nicht infizieren. Es ist jedoch nur eine Seite der Medaille, wenn einige dieser Menschen sehr vorsichtig sind, während der Schutz der Hälfte der Bevölkerung eine viel grössere Aufgabe ist.

Zusammenfassung:

  • Viele alte Menschen sterben an dem Virus.
  • Kein Land war bisher in der Lage, sie abzuschirmen.
  • Auch Menschen mit Vorerkrankungen haben ein hohes Sterberisiko.
  • Wenn wir beschließen, alte Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen und ihre Schutzengel zu schützen, müssten wir einen großen Teil der Bevölkerung vom Rest der Bevölkerung isolieren.

Sind wir sicher, dass es machbar ist, all diese Menschen so lange vor einer Ansteckung mit dem Virus zu schützen?
Sind wir sicher, dass dies besser ist als die Alternative einer umfassenden Kontrolle des Virus?

All das könnte sich lohnen, wenn zumindest die Wirtschaft mit Herdenimmunität besser dran wäre.

4. Was ist das Beste für die Wirtschaft?

Im Mai 2020 wurden einige Wirtschaftsprognosen für das Jahr 2020 abgegeben:

Es ist zu beachten, dass es in ostasiatischen Ländern wie Japan, Singapur, Südkorea und China, die das Virus schnell und effektiv bekämpft haben, viel geringere Auswirkungen des Virus auf ihre Volkswirtschaften gab.

Es sieht so aus, als würde Schwedens Wirtschaft im Jahr 2020 genauso schlecht abschneiden wie die meisten anderen vergleichbaren Volkswirtschaften.

“Es ist zu früh, um zu sagen, dass wir besser abschneiden werden als andere. Wir denken, dass Schweden am Ende mehr oder weniger gleich abschneiden wird”. Christina Nyman, ehemalige Beamtin der schwedischen Nationalbank.

Zu diesem Zeitpunkt sollte es der schwedischen Wirtschaft eigentlich viel besser gehen als allen anderen, um einen schlechteren Rest des Jahres auszugleichen zu können. Denken Sie daran: Der ganze Sinn der schwedischen Strategie besteht darin, einen wirtschaftlichen Abschwung während eines Lockdown zu vermeiden. Schweden hat keinen Lockdown — aber die Wirtschaft geht trotzdem unter.

Das sind sehr schlechte Nachrichten für Schweden: Während der Tanzphase werden alle anderen Volkswirtschaften wahrscheinlich besser funktionieren als die schwedische. Sie werden mindestens so offen sein wie die schwedischen, wenn nicht sogar noch offener. Und ohne dass das Virus wild um sich greift, werden die Menschen in den anderen Volkswirtschaften eher bereit sein, in die Öffentlichkeit zu gehen. Man vergleiche das mit Schweden, das das derzeitige Niveau der Schließungen beibehalten muss, um einen Anstieg zu vermeiden, der das Gesundheitssystem überfordern würde.

“Vieles deutet darauf hin, dass der große Rückgang im zweiten Quartal kommen wird. Das BIP könnte in diesem Jahr um 10% schrumpfen und die Arbeitslosigkeit auf 13,5% steigen” — Magdalena Andersson, Schwedens Finanzministerin, berichtet durch Politico und The Guardian.

90.000 Menschen hatten in den letzten vier bis fünf Wochen Arbeitslosigkeit angemeldet. — Isabella Lövin, Schwedens stellvertretende Ministerpräsidentin, berichtet durch The Guardian.

Und das ohne Berücksichtigung anderer Nachteile, wie etwa des Tourismus: Andere Länder verbieten bereits Touristen aus Schweden. Viele werden folgen. Und nur wenige Menschen werden Schweden besuchen wollen.

Es ist nicht ganz klar, warum es der schwedischen Wirtschaft so schlecht geht wie anderen, aber es gibt ein paar Hinweise.

Warum ist Schwedens Wirtschaft eingebrochen?

In Schweden ging, wie bei allen seinen Nachbarn und vergleichbaren Ländern, die Mobilität der Bürger etwa zur gleichen Zeit zurück. Der Rückgang war nicht so steil, aber er war ähnlich, und seitdem hat er sich weiter angeglichen.

Der starke Rückgang der Mobilität geschah um den 10. März herum, als unser Beitrag “Coronavirus: Warum du jetzt handeln musst” veröffentlicht wurde. Dies trifft sogar auf die meisten Länder der Welt zu:

Eine Wechselbeziehung ist keine Ursache.

Von etwa 40 entwickelten Ländern hatten nur Italien und Südkorea eine frühzeitige Einschränkung der Mobilität — weil sie schwere Coronavirus-Ausbrüche hatten. Das reichte nicht aus, um den Rest der Staaten zum Reagieren zu bewegen, aber ab dem 10. März begannen Menschen auf der ganzen Welt plötzlich, ihre Mobilität einzuschränken. Keines dieser Länder konnte sich aus dieser Situation befreien.

“Es gibt einfach keine Kunden. Alle bleiben zu Hause. Die Verkäufe sind im Vergleich zu diesem Monat des vergangenen Jahres um 80% zurückgegangen. Es ist eine wirklich schwere Zeit”. Mike Singh, Besitzer eines Bekleidungsstandes, auf dem Markt von Vällingby, via Politico.

Dies zeigt, dass ein großer Teil der wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus nicht nur in den Maßnahmen liegt, die die Regierungen ergriffen haben, sondern einfach in der Reaktion der Bürger. Wenn sie Angst vor dem Virus haben, werden sie nicht konsumieren, und die Wirtschaft wird darunter leiden.

Hätte es vorhergesagt werden können?

Offenbar kam all dies für die schwedische Regierung überraschend:

“Die Entwicklungen im April deuten darauf hin, dass die Covid-19-Pandemie die schwedische Wirtschaft viel härter treffen wird als im Wirtschaftsbericht vom April 2020 erwartet” — Schwedisches Nationales Institut für Wirtschaftsforschung, eine Regierungsbehörde in Schweden, die für Wirtschaftsanalysen und -prognosen zuständig ist.

Es hätte keine Überraschung sein müssen.

Wenn es nur wenige Daten gibt, müssen wir auf der Grundlage der verfügbaren Beweise Schätzungen anstellen. Bereits im März gab es auf dem chinesischen Aktienmarkt Beweise dafür, dass eine “Hammer and a Dance”-Strategie für die Wirtschaft nicht allzu schädlich ist. Wir haben auch aus der Untersuchung der Pandemie von 1918 gelernt, dass es besser war, die Wirtschaft zu schließen, als das Virus frei zirkulieren zu lassen. Dies ist eine von vielen Grafiken, die diesen Zusammenhang in unserem Beitrag “Coronavirus: Aus vielen ensteht eine Einheit” zeigt (veröffentlicht am 1. April):

Dies ist eines der komplexeren Diagramme in diesem Artikel, also erklären wir es ein wenig. Rote Punkte sind Städte, die schwächere gesellschaftliche Distanzierungsmaßnahmen hatten als die Durchschnittsstadt. Grüne Punkte sind Städte, die eine stärkere gesellschaftliche Distanzierung aufwiesen als der Durchschnitt. Die Linie zeigt den Trend: Mehr Sterblichkeit bedeutete nach der Pandemie weniger Beschäftigung. Die graue Fläche zeigt das Zuverlässigkeitsintervall: Der wahre Trend liegt wahrscheinlich innerhalb dieses Bereichs, d.h. es ist äußerst wahrscheinlich, dass es sich um einen Abwärtstrend handelt. Da das Virus zuerst die Ostküste traf, hatten die Städte im Westen Zeit, von den Städten im Osten zu lernen und stärkere und schnellere Maßnahmen zu ergreifen. Dies führt jedoch zu einer Verzerrung. Es gibt weitere Verzerrungen, z.B. dass wohlhabendere Städte die Gesundheitskrise besser managen könnten, aber möglicherweise stärker vom Virus heimgesucht werden, oder dass Städte mit höherer Dichte stärker betroffen sein könnten. Die Forscher kontrollierten also Faktoren wie Dichte, Wohlstand, Bevölkerung… Ihre Kontrollen waren der Beschäftigungsanteil der Landwirtschaft von 1910, der Beschäftigungsanteil des verarbeitenden Gewerbes von 1910, der Anteil der Stadtbevölkerung von 1910, das Pro-Kopf-Einkommen von 1910 und der Bevölkerungsbestand von 1910.

Seitdem haben alle eingegangenen Informationen die Idee bestärkt, dass die Wirtschaft wieder auf den richtigen Weg zurückkehrt, wenn das Virus eingedämmt wird. Zum Beispiel hat sich die Wirtschaft Chinas wieder normalisiert, auch die von Wuhan.

Quelle.

Auch der Aktienmarkt hat dies gezeigt:

Bereits im März schnitt ein wichtiger schwedischer Index im Vergleich zu seinen Nachbarn nicht mehr so gut ab. Nun schneiden sowohl der dänische als auch der finnische Index besser ab als der schwedische, und nur der norwegische schlechter. Die Märkte sind nicht perfekt, aber sie versuchen, vorherzusagen, was mit einer Wirtschaft geschehen wird, daher hätte ihr Signal ein weiterer Datenpunkt sein sollen, um zu bedenken, dass die schwedische Strategie wirtschaftlich nicht so gut war, wie manche vielleicht gedacht haben.

Lockdowns schaden der Wirtschaft nicht. Das Coronavirus macht es.

Zusammengefasst:

  • Schwedens Wirtschaft ist vom Coronavirus genauso stark betroffen wie die seiner Nachbarn.
  • Leider ist jetzt genau der Zeitpunkt, an dem es Schweden besser gehen sollte, da das Ziel darin bestand, einen Lockdown zu vermeiden. Die nächsten Monate könnten sich für die schwedische Wirtschaft als schlimmer erweisen als für die der anderen Länder.
  • Dies war vorhersehbar. Die wenigen Signale, die in der Vergangenheit vorlagen, legten nahe, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen einer “Hammer and Dance”-Strategie besser sein könnten als bei einer Herdenimmunitätsstrategie.

Welche Lehre ergibt sich für andere Länder?

Viele Länder sind dabei, ihre Volkswirtschaften zu öffnen. Einige, wie Spanien, Österreich, Deutschland, Italien oder Frankreich, haben hart daran gearbeitet, das Virus in ihren Volkswirtschaften zu minimieren. Aber nicht alle haben das getan.

Die Niederlande, Großbritannien und die USA haben, neben anderen Ländern, alle irgendwann entweder eine Herdenimmunitätsstrategie erprobt oder ziehen sie jetzt in Erwägung. Beispielsweise öffnen sich viele US-Bundesstaaten, von denen fast die Hälfte sogar noch eine steigende Zahl an Coronavirus-Fällen aufweisen.

Wie Schweden zeigt, ist dies eine schlechte Idee. Es ist schlimmer für das Leben, die Gesundheit und die Wirtschaft seiner Bürger.

Das bedeutet nicht, dass Länder wie Schweden, die USA, Großbritannien oder die Niederlande wieder in den Lockdown zurückkehren müssen. Die “Hammer and Dance”-Strategie war für Länder gedacht, die mit Fällen überhäuft wurden und nicht wussten, wie sie mit der Situation umgehen sollten, um den Ausbruch einzudämmen und gleichzeitig herauszufinden, was zu tun ist.

Doch jetzt wissen wir, was zu tun ist. Wir können die Wirtschaft offen halten und die Zahl der Fälle verringern, so wie es Südkorea, Taiwan, Vietnam oder Hongkong geschafft haben.

Viele Maßnahmen können ergriffen werden, um das Coronavirus zu stoppen, darunter Tests, Rückverfolgung von Kontakten, Isolationen, Quarantänen, allgemeine Masken, Hygiene, physische Distanzierung, öffentliche Aufklärung, Abwassertests, Reisebeschränkungen und Beschränkungen für Menschenansammlungen. Alle Länder sollten diese Maßnahmen anwenden, da sie zumeist erprobt und viel kostengünstiger sind und die Epidemie dramatisch reduzieren können.

Wer auch immer sagt, dass dies nicht möglich sei, hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Diese Maßnahmen nicht zu ergreifen und das Coronavirus Amok laufen zu lassen, wird nur noch mehr Kranke, mehr Tote und eine schlechtere Wirtschaft zur Folge haben.

Was können die Niederlande jetzt tun?

Die Niederlande sind ein besonders interessantes Land, weil es die Krise trotz des Spielens mit der Herdenimmunität fast unter Kontrolle gebracht hat.

Sie befinden sich in einer weltweit einzigartigen Position: Es ist das einzige Land, das problemlos mit dem Tanzen anfangen könnte, aber sich dagegen entschieden hat. Das macht keinen Sinn. Sie sollten einfach die Maßnahmen für das Tanzen anwenden, die sich anderswo bewährt haben, und ihre Wirtschaft und Tausende von Leben retten.

Was könnten die USA jetzt tun?

Die USA befinden sich in einer anderen Position. Ihre Bundesstaaten sind wie 50 verschiedene Länder, wobei die Hälfte von ihnen bei den Infelktionsfällen eine steigende Tendenz aufweist.

Jede Zeile wurde so eingefärbt, dass die niedrigste Anzahl der täglichen Fälle in dem betreffenden Bundesstaat in blau und die höchste Anzahl der Fälle in dem betreffenden Bundesstaat in dem betreffenden Zeitraum in rot angezeigt wird.

Ob die USA es nun zugeben oder nicht, sie verfolgen eine Herdenimmunitätsstrategie. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es nicht realistisch, überall neue Lockdowns anzuwenden. Glücklicherweise werden sie nicht gebraucht: Die Staaten können alle oben genannten Maßnahmen anwenden. Sie sind erschwinglich und machbar. Dutzende von Ländern tun es, viele US-Bundesstaaten tun es auch.

Wenn einige Staaten diesen Weg der Herdenimmunität weitergehen wollen, besteht die einzige Alternative für andere Staaten zur Rettung ihrer “tanzenden” Bevölkerung darin, Reisen aus Staaten mit Herdenimmunitätsstrategie einzuschränken. Andernfalls werden sie die Gesamtkosten für schwere Lockdowns und einfache Maßnahmen tragen müssen und nur einen geringen Nutzen aus der Reduzierung der Fälle ziehen.

Was kann Schweden jetzt tun?

Schweden hat sich langsam mit seinen eigenen Fehlern abgefunden, angefangen bei den staatlichen Stellen, die eingeräumt haben, dass ihre Modelle möglicherweise falsch waren, bis hin zu Tegnells Eingeständnis, dass es beim Umgang mit Todesfällen Fehler gegeben hat. Dies ist nicht leicht zu akzeptieren. Ich kann sie nur beglückwünschen.

Es wurden einige neue Vorkehrungen getroffen. Es wird ein Abstand von zwei Metern zwischen den Menschen gefordert, und die Bürger wurden aufgefordert, öffentliche Verkehrsmittel zu meiden. Aber das reicht nicht aus.

Die Regierung hat zum Beispiel noch nicht erkannt, dass sich das Coronavirus durch Aerosole über Tröpfchenwolken ausbreitet. Sie bestreitet nach wie vor, dass Masken funktionieren. Diese Haltung wurde durch Forschungsarbeiten in fast 100 wissenschaftlichen Arbeiten deutlich widerlegt, die von über 100 Experten — darunter zwei Nobelpreisträger — bestätigt wurden.

Die schwedische Regierung befürchtet, dass die Menschen ein falsches Gefühl der Sicherheit haben könnten, wenn sie Masken benutzen und aufhören, sich gesellschaftlich zu distanzieren. Doch in den ostasiatischen Ländern ist das Tragen von Masken nahezu flächendeckend, und sie tanzen seit Monaten erfolgreich auf dem weiterhin explosiven Coronavulkan. Wenn unsachgemäßes Maskentragen so schlimm wäre, hätten sie massive Ausbrüche erleiden müssen.

Weitere Beispiele:

  • Das Virus verbreitet sich meist in Clustern, aber die schwedische Regierung sagt, das Land habe keine Cluster mehr. Die Grenze von 50 Personen in Menschenmengen ist zu hoch.
  • Die Regierung führt keine Tests durch, weil sie die Kontakte nicht nachverfolgt. Sie muss beides tun, damit die Menschen zu Hause bleiben, wenn sie krank sind oder sich möglicherweise infiziert haben.
  • Die Regierung muss anerkennen, dass fast die Hälfte der Infektionen präsymptomatisch oder asymptomatisch verlaufen, und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Wenn zum Beispiel jemand in einer Familie krank ist, sollten alle Familienmitglieder unter Quarantäne gestellt werden, auch diejenigen ohne Symptome. Alle sollten Masken tragen.
  • Die Regierung sollte aufhören, von allen Kindern zu verlangen, zur Schule zu gehen, insbesondere wenn sie mit Menschen mit Vorerkrankungen oder wenn sie mit einem Infizierten zusammenleben.

Eine Sache ist es, sich gegen einen Maßnahmenhammer zu entscheiden. Das ist in Ordnung. Das ist geschehen. Wir können die Vergangenheit nicht ändern. Eine ganz andere Sache ist es, zu wissen, dass man auf dem Coronavulkan tanzen kann, um das Ausmaß der Epidemie erheblich und ziemlich kostengünstig zu reduzieren, sich aber aktiv dagegen zu entscheiden. Die britische Regierung hat ihre Fehler eingestanden und den Kurs geändert. Der Druck auf Schweden wächst, das Gleiche zu tun. Zehntausende von Leben stehen auf dem Spiel. Wenn die Regierung nicht beschließt, ihre Fehler einzugestehen und ihren Kurs zu korrigieren, werden sich die Leichen weiterhin grundlos anhäufen.

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Übersetzungen:
Spanisch

Dies war eine große Teamleistung mit Hilfe Dutzender von Menschen, die Recherchen, Quellen, Argumente und Feedback zu Formulierungen geliefert, meine Argumente und Annahmen in Frage gestellt und mir widersprochen haben. Besonderer Dank gilt Galina Esther Shubina, Jana Bergholtz, Brian Meagher, Tom Cucuzza, Matt Bell, Carl Juneau, Genevieve Gee, Mike Mitzel, Christina Mueller, Elena Baillie, Pierre Djian, Yasemin Denari, Barthold Albrecht, Jorge Peñalva und vielen anderen. Ohne euch alle wäre dies nicht möglich gewesen.

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Torsten Cordes
Torsten Cordes

German journalist, editor and author since 1991 /// Publishing, Selfpublishing, Coronavirus /// My Amazon author page: https://amzn.to/37T9bgv